Aspekte eigener Vorgehensweise
Holz, Papier, Farbe – auf das richtige Material kommt es an
Als ich 2011 erstmals mit dem Holzschnitt in Berührung kam – es war während einer Kunstfreizeit in der Eifel (SYMPOSION WEISSENSEIFEN) – war ich zwar von der expressiven Bilddarstellung sehr begeistert, nicht aber von dem eingesetzten Material!
Damals wurde Tischlerplattenholz verwendet, das leider schnell irregulär beim Schneiden einreißt und auch als Material an sich „unästhetisch“ wirkt. Eine große metallene Presse wurde dann zum Drucken benötigt. Das Papier – europäisches Büttenpapier – war trocken und bereit zur sofortigen Anwendung.
Die Farbe bestand aus einer ölgebundenen Pigmentierung (genau genommen Kupfertiefdruckfarbe) und wurde mittels Gummiwalzen aufgetragen. Sie musste – leider – mit gesundheitsschädlichem Terpentin von der Platte wie auch von den Walzen wieder entfernt werden. Die Hände reinigten wir uns abschließend mit Zucker und Haushaltsöl, anschließend dann mit Geschirrspülreiniger.
Japanische Holzschnitt-Technik auf Vollholz
Meine Suche ging weiter, und zwar in die Richtung japanischer Holzschnitttechnik, wobei das Internet nur wenige Treffer zeigte. So kam ich dennoch ein Jahr später zu einem Kurs für japanischen Holzschnitt in Berlin bei Miriam Zegrer (zegrer@druckatelier.eu). Sie gab uns Lindenholzplatten (aus vollem Holz!), das sich gut schneiden ließ und auch ziemlich exakte Linien beim Druck zuließ.
Eine echte Überraschung waren aber auch die Farben: schwarze japanische Tusche oder aber Aquarellfarben – alle wasserbasiert, geruchlos, gut mit Wasser abwaschbar und umweltfreundlich. Eine noch größere Überraschung aber war: es gab zwar im Atelier eine Druckpresse, aber hauptsächlich wurde mit einem Handabreiber (Baren genannt) gearbeitet. Das schöne japanische Büttenpapier (Washi) musste am Tag zuvor in Wasser „eingeweicht“ und zwischen alten Zeitungen und Plastikhülle leicht feucht gehalten werden.
Mittlerweile allerdings bevorzuge ich statt der leicht zerreißenden und auch gelegentlich abfärbenden Zeitungspapiere doch glatte, saubere, angefeuchtete Baumwolltücher innerhalb der Kunststofffolien – das ist viel praktischer!
Die ersten Druckergebnisse seinerzeit waren spontan überraschend gut und ich war begeistert von der für mich gänzlich neuen Technik. Nachdem ich mich im Laufe der Zeit (und nach mehreren Kursen, auch in der Westschweiz unter der Leitung von M. Zegrer) besser in diese Art des Holzschnittes eingearbeitet hatte, übte ich auf Anregung Miriams auch einmal einen „cross-over“ aus: Ich färbte eine fertig geschnittene Vollholzplatte mit einer ganz besonderen Ölfarbe ein (Gold), legte dünnes trockenes(!) Washi auf, rieb die Farbe mit dem Baren ein (wobei man hier besser von aufreiben als von einreiben sprechen muss, denn im Gegensatz zur Wasserfarbe dringt die Ölfarbe nicht tief in die Fasern ein), und siehe da: das Ergebnis war wirklich gut!
Vollholz oder Schichtholz – Vor- und Nachteile
Schon zu Anfang meiner Neigung zur japanischen Technik galt meine Vorliebe dem Vollholz (Linde, Kirschbaum, Birnbaum). Im Gegensatz dazu wird heute in Japan überwiegend Schichtholz – ähnlich unserem „Multiplex“ – verwendet, das aber als oberste Schicht etwa 5mm starke Bergkirsche (Yama Sakura) trägt.
Der Vorteil des heutigen japanischen Schichtholzes ist die sehr feste Struktur durch die Verpressung unter hohem Druck. Dadurch können die Linien sehr präzise geschnitten werden, aber auch das herausgeschnittene Holz (oberste Schicht) kann gut entfernt werden. Der Nachteil dieses Schichtholzes ist seine Geometrie. Es ist immer sehr streng in festen Maßen von der Industrie her geschnitten, immer rechtwinkelig (Jap. Composit-Holz). In früheren Zeiten hingegen wurde in Japan auch in Vollholz geschnitten – so gesehen im Edo-Tokio-Museum (江戸東京博物館, Edo Tōkyō Hakubutsukan) in Tokyo.
Meine Liebe zum Vollholz ließ mich aber auch die natürliche Form des Holzes besonders schätzen, denn ich wollte nicht in rechtwinkligen Formaten arbeiten. Auch gefiel mir die natürliche Wellenstruktur der gehobelten und geschliffenen Holzbohlen, selbst wenn das Arbeiten (Schneiden) mühsamer darin ist und auch nicht immer exakt nach der Vorzeichnung möglich ist.
Japanisches Büttenpapier (Washi)
Washi (japanisches Büttenpapier aus der Rinde des Maulbeerstrauches) war für mich von Anfang an mein Lieblingsmaterial zum Drucken. Es ist haptisch so viel „wertiger“ und in der Herstellung aufwändiger als unser Büttenpapier – reine Manufakturarbeit.
Die Rinde der meist daumendicken Strauchäste wird durch mechan. Bearbeitung, Reinigung und Kochen in ihre Faserstrukturen zerlegt. Durch Beimengung des schleimigen Extraktes aus der Tororoaoi-Wurzel wird die wässrige, leicht milchige Suspension der feinen Pflanzenfasern stabilisiert – sonst sänken diese immer auf den Boden des Bottichs. Das wiederholte Aufrühren der Faserschlämme ist aber dennoch nötig. Mittels großer Siebe werden die Fasern durch mehrfaches Nachschöpfen zu einer Schicht weißlich-transparenten Materials, das dann abgeschieden wird – noch feucht ist es, aber fertig: washi, japanisches Büttenpapier!
Drucken mit dem Baren (Handabreiber) auf Washi (japanisches Papier)
Während beim europäischen Holzschnitt mit Ölfarbe und Druckpresse die Farbe auf das trockene Papier gepresst wird, wird die wasserbasierte Farbe bei der japanischen Holzschnitt-Drucktechnik mit dem Baren über den Druck der Hand, des Armes und der Schulter in das angefeuchtete Papier (Washi) eingerieben, dringt also tief zwischen die Rindenfasern des Maulbeerstrauches Kozo ein. Dies ist oft auch auf der Rückseite noch sichtbar.
Natürlicherweise hat Washi durch den Herstellungsprozess einen ungleichmäßigen Rand, der mich ganz besonders fasziniert. Zu meiner Überraschung werden aber in Japan für Moku Hanga überwiegend geschnittene Papierformate angeboten, die zu den angebotenen Holzplatten passen. Dies empfinde ich aber für die künstlerische Ausdrucksform als zu streng. Von daher teile ich das große Washi (meist im Format ca. 100x70cm) selbst in kleinere Formate. Dabei schneide ich nicht, sondern ich reiße den Bogen und erhalte dadurch Formate mit einem natürlich wirkenden Rand. Dies passt sehr gut zu den irregulären Holzplatten.
Mehrfarbiges Drucken – passgenau mit Hilfe des Innen- oder Außenkento
Im Gegensatz zum Einrahmen eines sehr rechtwinkeligen japanischen Holzschnittes, gegebenenfalls auch mit Passepartout, bevorzuge ich das Auflegen des irregulär umrandeten Druckes auf einen neutralen Hintergrund (weiß oder schwarz), so dass die wunderbare, natürliche Umrandung des Washi zur Geltung kommt – was gut zum ebenfalls nicht linearen Druckbild passt.
Nun ergibt sich aber eine weitere Schwierigkeit bei einem Wunsch nach Mehrfarbigkeit oder auch nur verschiedenen Grautönen. Bei den rechtwinkeligen Formen japanischer Druckstöcke (Druckplatten) kann man mit einem sog. „inneren Kento“ eine sehr exakte Passmarke setzen, typischerweise als kleine Mulden auf dem Druckstock selbst, an die man dann das Washi anlegt.
Möchte man mehrere Farben oder Farbtöne drucken, müssen mehrere Platten angefertigt werden, die ebenfalls mit einem exakt angepassten Kento ausgestattet sind. Dies nennt man „inneres“ Kento. Entscheidet man sich also für ein formatfüllendes Druckbild mit exakten Berandungen, so muss man die Passmarken mittels kleiner Schnittmulden auf die Druckplatten einschneiden. Man braucht dann also ein „inneres Kento“.
Wenn sich die Druckplatten bei einem rechtwinkeligen Schnitt absolut gleichen, können mehrere Druckplatten an genau der gleichen Stellen mit Passmarken versehen werden, so dass das Washi immer exakt angelegt werden kann, um dann punktgenau mit mehreren Druckplatten ein Gesamtbild aus Einzelplatten (und somit Einfärbungen) zu erstellen. Dies war in Japan schon zu Hiroshiges Zeiten, einem der berühmtesten Holzschneider, im 18. Jahrhundert zu einer wahren Meisterschaft gediehen. So sah ich einmal im Tokyo-Edo-Museum ein aus 17 Druckplatten erstelltes Moku Hanga – unglaublich!
Allerdings bleibt man so immer in der strengen Geometrie des exakt geschnittenen Washi, das formatfüllend mit dem Druck bedeckt ist. Diesen Druck kann man dann zwar auf eine Unterlage auflegen und dann rahmen oder aber den Rahmen damit rechtwinklig ausfüllen. Will man nun aber das büttenrandige Washi selbst zur Geltung bringen, insbesondere seine leicht irreguläre Umrandung, so gibt es dafür auch die Technikvariante des „Außenkento“.
Hierfür muss man einen äußeren Holzrahmen fertigen, der das Anlegen des Druckstockes erlaubt und somit auch für das washi einen kalkulierbaren „freien Rand“ ermöglicht. Es müssen also Passmarken auf diese äußere Holzmaske gezeichnet werden – Linien auf diesem äußeren Holzrahmen. Die Linien erlauben dann verschiedene Papierformate (entsprechend den Druckstockgrößen) zur Anlage an die vorgezeichneten Linien. Das Papier muß dann seitlich fixiert werden, z.B. mit einem schweren Metallwinkel, denn es darf nicht verrutschen, wenn mehrere gefärbte Druckplatten gegeneinander ausgetauscht werden – bei zuvor seitlich zurückgeschlagenem washi.
Im einfachsten Fall, nämlich bei einem rechtwinkligen Druckstock, wird dieser direkt an den Holzrahmen angelegt. Die auszutauschenden Farbplatten müssen natürlich das ABSOLUT GLEICHE MASS haben, damit kein Versatz beim Mehrfarbendruck entsteht.
Komplexer sind hingegen irregulär geformte Druckstöcke: sie lassen sich nur mithilfe eines Platzhalters an den rechtwinkligen äußeren Holzrahmen exakt und auch reproduzierbar positionieren. Für die Farbwechselplatten gilt aber Gleiches wie oben – ABSOLUT GLEICHES MASS!
Diese individuell anzufertigenden Positionshalter kann man mittels eines zurechtgeschnittenen Holzstückes, angepasst an den Paßmarkenrahmen, oder mittels eines gießbaren Füllmaterials fertigen. Dazu gießt man in den Zwischenraum zwischen Rahmen und Druckplatte eine Gipsmasse/Feinzement (am besten ist Dentalgips), bestreicht aber zuvor – zur späteren leichten Lösung – die jeweiligen Holzränder mit Trennseife (leicht wieder abwaschbar). Die keramische Schablone ist nun genau auf den Druckstock angepasst, wird dann jeweils in den Holzrahmen eingelegt, um dann wiederum die Druckplatten aufzunehmen.
Nach Trocknung imprägnieren (Öl oder Wachs)
Damit wird klar, dass man mit dem „äußeren Kento“ zwar einen Druck auf das Washi mit umgebendem freiem Papierrand abbilden kann, und zwar gelingt dies auch bei mehreren Druckplatten nicht nur mit exakt rechtwinklig geschnittenen Washi, sondern auch solchen mit einem Büttenrand. Allerdings MUSS das Papier seitlich FEST fixiert werden – zum wiederholten Anheben und Zurückschlagen, sonst geht schnell die Anlegegenauigkeit verloren, es gibt Versatz im Druck … und er wird meistens unbrauchbar!
Gerissenes Washi und Außenkento
Ein unregelmäßig umrandetes, optisch wunderbares Washi, auf dem ein Mehrfarbendruck mit einem äußeren Rand gedruckt werden soll, läßt sich also nur unter Verwendung eines äußeren Kento bedrucken. Am einfachsten gelingt dies mit einer rechtwinkligen Druckplatte, die direkt an den äußeren Paßmarkenrahmen angelegt werden kann.
Bei irregulär geformten Druckstöcken bedarf es nicht nur eines individuellen Platzhalters (siehe oben), sondern auch IDENTISCH GROSSER Farbplatten. Man verwendet einfach ein vergleichsweise dickes Schichtholz, nimmt die Form der Original-Druckplatte ab und sägt sie dann aus. Von dem originalen Vollholz für den Primär-Druckstock hat man ja selten ein gleich großes Stück oder sogar überhaupt kein Vergleichsstück (Ausnahmen könnten bei kleinen Formaten aber sein), so dass Sperrholz oder Tischlerplatten infrage kommen. Leider haben letztere nun wiederum die schlechte Eigenschaft, dass sie sich nicht so leicht präzise in der Holzschnitttechnik schneiden lassen – eine Erfahrung aus meiner Anfangszeit mit dem Holzschnitt. Zwar habe ich auch dieses Verfahren schon mehrfach praktiziert, war aber mit dem Ergebnis meistens nicht komplett zufrieden.
Will man oben genannten Aufwand des klassischen japanischen Mehrfarbplattendrucks nicht auf sich nehmen, so böte sich aber zur lediglich flächigen Farbunterlegung die Fertigung einer an die Primärplatte angepaßten Farbplatte, auf die die betreffenden Bildareale „in etwa“ mit Farbe versehen werden. Das washi wird nun so farbig bedruckt, zur Seite geschlagen, die geschnittenen Schwarzdruckplatte untergelegt, Papier wieder zurückgeschlagen und mittels Baren bedruckt – siehe hier zum Beispiel beim Druck „Ikarus“.
Kolorierung – weitere Wege
Fraglos ist die japanische Mehrplatten-Farbdrucktechnik über alle Zweifel erhaben großartig, aber in gewisser Weise auch „rigide“: mit den „inneren kento“ wird immer das komplette Blatt randlos bedruckt, die Kolorierung ist primär flächig – ausgenommen die Technik des Farbverlaufs („bokashi“). Mit dem Primärdruckstock des Schwarzdruckes und den verschiedenen Farbplatten, die auch oft nur kleine Areale kolorieren, erfordert diese klassische Methode viel Zeit und Mühe, aber bietet auch die Möglichkeit großer Druckauflagen – das harte Kirschbaumholz lässt es zu.
Geht es aber nicht um Auflagenhöhe und absolute Vergleichbarkeit der Drucke, sondern um sehr individuelle Farbholzschnitte, die sogar den Charakter von Monotypien haben, dann bietet sich die Kolorierung NACH DEM DRUCK an. Aber nicht nur Farbe, sondern auch Grautonvarianten lassen eine „Ausschmückung“ des Schwarzdruckes zu … und zwar frei per Hand.
Man sollte den primären Druck mit der japanischen Tusche (Sumi) oder den neuartigen wasserlöslichen Tiefdruckfarben mindestens eine Woche gut trocknen lassen (am besten zwischen Finn-Pappen, Fa. Boesner), damit ein Farbauftrag von vorn am wenigsten problembehaftet ist – es geht dabei um die Verwischmöglichkeit! Dies wäre nicht der Fall bei der Cross-over-technik, bei der der Schwarzdruck mit ölgebundener Kupfertiefdruckfarbe erstellt wird und dann von vorn mit Wasserfarben koloriert wird. Bei den ölgebundenen Farben ist aber mit erheblich längerer Trocknungszeit zu rechnen, ferner ist der Druckstock dann nicht mehr für die wassergebundenen Frauen zu gebrauchen. Und für Liebhaber der ganz speziell duftenden japanischen Tusche käme auch nur diese in Frage.
Bei der sog. ANTERIOR-KOLORIERUNG werden Aquarellfarben sehr zügig aufgetragen,um ein Aufweichen der Sumi zu vermeiden. Jedoch gleitet der Pinsel mit der Wasserfarbe zu schnell über die schwarzen Sumi-Linien, so verringert sich so der Kontrast, denn ein dünner Farbfilm bleibt auf den schwarzen Druckstellen zurück. Demzufolge muß man die betreffenden weißen Bildfelder einzeln ausmalen – mühsam und auch wenig befriedigend. Dazu die Bildbeispiele … allerdings wurde hier eine irisierende Aquarellfarbe aufgetragen – daher die Reflexion – und dennoch kann man das Übermalen der schwarzen Linien gut erkennen.
So kam ich schließlich auch auf die alte japanische Technik der Kolorierung auf der Rückseite(!) des washi – „ura zai shiki“, der POSTERIOR-KOLORIERUNG.
Vor Jahrhunderten bereits in Japan ausgeübt, wurde sie Mitte des letzten Jahrhunderts wiederentdeckt, dafür mit modernen Bildinhalten versehen. Bekannt sind der japanische Künstler SHIKO MUNAKATA und in der Gegenwart BOKUNEN aus Okinawa. Letzterer koloriert den Primärdruck mit schwarzer Sumi auf der noch feuchten Rückseite farbig, läßt also die Farbe von hinten dann das Papier durchdringen und färben.
Genau diese alte Technik des „ura-zai-shiki“ (= Farbe, die von hinten leuchtet) hat mich fasziniert. Sie gibt große illustrative Freiheit, wobei man nicht unbedingt schon das noch feuchte washi kolorieren muß – hinderlich gerade dann, wenn man mehrere Schwarzdrucke hintereinander anfertigen will. Läßt man die Sumi, den Primärdruck, in Ruhe trocknen, läuft man auch nicht Gefahr des zu weitreichenden Verlaufes von Farbe … und hat mehr Muße für die Farbkomposition und den unterschiedlich intensiven Farbauftrag. Hier einige Bildbeispiele – weiter unten folgt ein eigenes Kapitel dazu.
Maskentechnik
Schließlich habe ich für den Druck mit dem Titel „Erleuchtung“ eine Strategie gewählt, die ich schon einmal zuvor ausprobiert hatte – Masken anfertigen! Dazu muss man dünnen Karton je nach gewünschtem abzudeckendem Bildsegment ausschneiden und auf den Druckstock auflegen und kann somit in einem bestimmten Farb-/Grauton die freigelassene Fläche des Druckstockes einfärben, während die abgedeckten Areale in einem späteren Schritt separat nachkoloriert werden können. Achtung – die Masken sollten zum Schutz vor Durchfeuchtung mit selbstklebender Klarsichtfolie überzogen werden!
So kann man tatsächlich, auch wenn es mühsam ist, mit nur einer Druckplatte mehrere Farb-/Graueffekte erzielen. Dazu muss man jedoch das Washi an einer Seite – zweckmäßigerweise der Holzmaske mit dem Außenkento – fixieren, um es dann immer wieder zwischen den Kolorierungschritten zur Seite und wieder auf den Druckstock schlagen zu können.
So konnte ich mein bevorzugtes, naturgewachsenes Vollholz als einzigen Druckstock einsetzen, passte jedoch eine nach der Form des Druckstockes ausgeschnittene Schichtholzplatte zur Festlegung eines Außenkento an, um dann den Druckstock mit Bildrand auf das am unregelmäßige Washi abzudrucken – das Bild kommt dadurch voll zur Geltung. Auf diese Weise können also mit nur einem Druckstock auch Grauvarianten neben dem schwarzen Grundton, den man zuletzt drucken muss, abgebildet werden.
Nun fragt man sich vielleicht, warum man überhaupt ein Außenkento braucht, wenn nur eine Druckplatte eingesetzt wird: Man braucht eine Auflage für das Washi, um es zu fixieren, damit es beim Hochschlagen nicht wegrutschen kann. Selbst wenn man das Washi mit nur einer Platte bedruckt, muss es zumindest zur Korrektur zwei- oder dreimal zur Seite geschlagen werden. Auch beim Aufbringen neuer Druckfarbe auf die Platte (bei Maskentechnik) muss das Papier fixiert sein. Ansonsten werden die folgenden Abdrucke nicht korrekt übereinander gesetzt – eine gravierende Fehlerquelle, die ein Bild völlig unbrauchbar macht.
Zuletzt noch eine kleine, aber dennoch relevante Notiz: Das leicht feuchte Washi halte ich mit einer Plastikfolie einigermaßen in seinem Wassergehalt konstant. Ansonsten würde es schnell zwischen den Druckschritten austrocknen und die folgenden Farb-/Grautöne ließen sich in das zu trockene Washi nicht mehr gut einreiben.
Große Formate
Für mehrfarbige Drucke im Großformat auf washi Vollformat (meist etwa 100 x 70cm, variiert leicht je nach Manufaktur) ist die Fertigung einer Halterung für die ja sehr großen Druckplatten sinnvoll. Das Anlegen großer Druckstöcke an einen seitlichen Holzrahmen mit Linienmarkierung (äußeres Kento) führt nämlich sehr leicht zum Verrutschen des Rahmens und damit des auf ihm seitlich fixierten washi. Zum anderen ist der Druckplattenwechsel sonst ausgesprochen mühsam – daher die Empfehlung einer anders gestalteten fixierenden Vorrichtung! Natürlich muß auch hier das über die Druckplatte hinausragende washi festgehalten werden, und zwar so sicher, daß der Druckstockwechsel schadlos überstanden wird.
Dieses Vorgehen wird aber praktisch eigentlich nur bei sehr rechtwinkelig und exakt gleich geschnittenen Druckstöcken möglich sein! Die unter den Platten liegende Halterung muß nämlich sehr exakt an die Druckplatten angepaßt sein, sonst kommt es zu späteren Versetzungen im Druckbild. Folglich müssen auch die Druckstöcke sehr paßgenau aufeinander abgestimmt sein – schon beim Schneiden.
Auch muß die Druckplatte höhenmäßig leicht über dem Rand der Plattenhalterung zu liegen kommen – 1-2 mm reichen dafür. Es käme ansonsten leicht zum Verschmieren von Druckfarbe am oberen/unteren Bildrand. Falls man erst beim Auflegen der Druckstöcke einen Tieferstand bemerkt, kann man dies durch Unterfütterungskartons gewährleisten.
Für ein wirklich großes Format, den Druck der „Metropolis“, ließ ich mir daher diese Technik einfallen. Das Plattenformat war 60 x 80 cm, das auf Washi im Format 70 x 100 cm gedruckt werden – mit einem umlaufenden freien Rand.
Drucken im großen Format ist definitiv nicht ohne Schwierigkeiten, da das große angefeuchtete Papier schon beim Auflegen auf den Druckstock leicht sich verschieben kann, schlimmer aber noch, wenn die eingefärbte Druckplatte versehentlich beim bloßen Ausrichten berührt wird.
Für exakt gleich geschnittene Druckplatten scheiden meist Naturhölzer aus, insbesondere bei sehr großen Formaten. Also wählte ich für dies Projekt ausnahmsweise MDF-Platten, die jedoch keine wassergebundenen Druckfarben zulassen – sie fransen nämlich an den Schnittlinien aus. Somit mußte ich doch ölgebundene Kupfertiefdruckfarben verwenden, aber dennoch mangels einer so großen Druckpresse mit dem Handabreiber Baren arbeiten, nicht ungern jedoch.
Hier nun die Arbeitsschritte der Reihe nach: Zunächst Anpassen des Papiers auf der Druckstockhalterung.
Das obere Pappende wird an eine Holzleiste fixiert, die sicherheitshalber mit Klarsichtfolie überzogen ist, um Abfärbungen des Holzes auf nasses Papier vorzubeugen.
Das untere Papierende wird mit einem Stahl-/Edelstahlblock fixiert, dann kann das ausgerichtete Papier mittels des Aufhängedrahtes am oberen Ende hochgehoben und an eine Halterung fixiert werden. Da es mehrmals beim Druckvorgang hochgehoben und wieder plan auf den jeweiligen Druckstock zurückgelegt werden muß, muß es locker spannungsfrei hängen – auf keine Fall dürfen Knicke entstehen. Dann erst kann die eingefärbte Druckplatte in die Halterung (ohne Spiel!) eingesetzt werden.
Das Papier wird nun aus der Aufhängung gelöst und plan auf den Druckstock gelegt – das Drucken kann beginnen.
Wenn dann das so bedruckte washi vorsichtig angehoben und aufgehängt ist – am anderen Ende fest fixiert – kann die nächste farbige Druckplatte eingesetzt werden.
„ura zai/sai shiki“
Ura sai ist eine Maltechnik, die vermutlich von China oder Korea nach Japan kam und wurde in Gemälden verwendet, die Buddha darstellen. Dabei wird die Farbe VON HINTEN auf ein Gemälde aufgetragen. In Japan wurden bereits im 11. Jahrhundert buddhistische Malereien in der „Urasai“-Technik gefunden.
裏 彩 ⾊ URA ZAI SHIKI
裏 (ura): Rücken +
彩 (sai/zai): Brillanz von Farben und Mustern +
⾊ (iro/shiki): Farbe =
裏彩⾊ (ura zai shiki): „Farbe, die von hinten leuchtet“
In unserer Zeitepoche war es der japanische Holzschneider und Maler SHIKO MUNAKATA (1903–1973), der von dieser alten Kolorierungstechnik im 20. Jahrhundert inspiriert wurde und in den 1930er Jahren bereits internationale Anerkennung erhielt.
So schrieb er 1949: „Das Ziel ist es, die Farbe nicht von der Rückseite aufzutragen, sondern sie einziehen zu lassen. So wie die Tinte auf dem Holzblock in den Holzblock einzieht, zieht die Farbe von der Rückseite des Papiers in die Oberfläche ein, ein Prozess, der die Natur des Tafelbildes nicht beeinträchtigt. Die Farbe wird auf natürliche Weise mit dem Pinsel auf die Platte aufgetragen. Indem die Farbe aufgesaugt und nicht aufgemalt wird, können wir die gleichen Ergebnisse sehen wie bei der Tafelmalerei, die das Ergebnis anderer Kräfte ist … Mit dieser Technik wollte ich ein Gefühl ausdrücken, das mit einer einzigen Tuschefarbe nicht wiedergegeben werden kann … ein beruhigendes Gefühl. Es hat auch den Effekt, dass eine sanfte, herzerwärmende Stimmung durch das Tafelbild fließt.“
Im Gegensatz zum Buchdruck, bei dem immer die gleiche Form gedruckt wird, ist MUNAKATA der Meinung, dass nun Holzschnittplatten die Farbe bei jedem Druck auf originelle Weise in das Papier eindringen lassen … und kein Druck dem anderen gleicht – also individuelle Versionen entstehen.
Die englische Künstlerin MERLIN CHESTERWOOD (Making Woodblock Prints, 2015) sieht in dieser Technik die ideale Verbindung aus Drucktechnik und Malerei und warnt zugleich: „The technique itself has a potential for great freedom and beauty, but at the same time suffers from being somewhat uncontrollable.However, what one loses in control, one can get in beauty, as the watercolour feel of the colors that are obtained in this way cannot be reproduced from a block. As a technique, it lies between printmaking and painting … You may well lose control work during this process, because it cannot be fully controlled: it is painting on print. But when it does work, it can be glorious.“
Im Gegensatz zum bewundernswert exakten japanischen Vielfarbendruck mittels mehrerer Platten, bei dem eine exakte Passgenauigkeit und festgelegte homogene Farbflächen entstehen, beinhaltet die rückwärtige Kolorierung einen UNEXAKTEN, NICHT GENAU VORHER KALKULIERBAREN FARBEINDRUCK MIT MALERISCHER WIRKUNG!
Die orangerote Farbe wurde auf dem trockenen Druck von hinten auf dickes washi aufgebracht, die braune Tönung hingegen rührt von einer zweiten Druckplatte, die von vorn auf den Schwarzdruck aufgebracht wurde – siehe die leicht versetzten Druckflächen mit nicht sehr exakter Begrenzung.
Nunmehr verfolgte ich die alleinige rückwärtige Aufbringung von Aquarelltusche mit varianter Durchdringung der washi-Fasern, wiederum DURCH dickes, Dosa-imprägniertes washi HINDURCH.
Ursprünglich allerdings war diese Technik für die Anwendung an nicht-imprägniertem (= nicht Dosa-haltigem) washi gedacht, denn so kann die Farbe von hinten leicht durch die washi-Fasern dringen. Bei den heute meist mit Alaun und Gelatine imprägnierten washi („sized washi“) wird zwar für den Druck auf der Vorderseite ein seitliches „Ausbluten“ der Farbe/ Sumi verhindert, jedoch verhindert genau diese Präparation des washi die Permeation von rückwärtig aufgebrachter Farbe.
Einer Idee meines japanischen Freundes KENICHIRO TAKAHASHI folgend, stellte sich die Anwendung von Äthanol als überaus hilfreich dar: man fügt dem Farbkonzentrat – am hilfreichsten sind flüssige Aquarellfarbenkonzentrate – zu gleichen Teilen Wasser und 70%igen Haushaltsalkohol zu, erhält also eine etwa 35%ige Alkohol-Farbe-Lösung. ACHTUNG: Zur Verwendung von preiswertem Brennspiritus kann ich leider nicht raten (94%), da die Farblösung mit diesem konzentrierten Äthanol sehr schnell verklumpt!
Das Farbgemisch trägt man mit einem fülligeren, saugfähigen Pinsel auf die Rückseite des gut getrockneten (mind. eine Woche) bedruckten washi – die zu kolorierenden Felder sind ja gut zu erkennen – und man kann jetzt flächig die Lösung aufbringen ohne die schwarzen Druckareale auszusparen – die Lösung durchdringt sie nicht! Im Gegensatz zur Kolorierung von vorn läuft man hier nicht Gefahr, daß sich über den Schwarzdruck eine dünne Farbschicht bildet, die der Sumi die Tiefenschärfe nähme! Mit der alkoholischen Aquarellfarblösung läßt sich eine Durchdringung der washi-Fasern trotz der Dosa-Imprägnierung tatsächlich bewerkstelligen – und dies nicht nur bei dem dünneren (d = 0,15 mm), sondern auch dem dickeren (d = 0,4 mm) Papier. Hier Beispiele aus seinen Experimenten:
Die grafische freie Modfikation eines ehedem als sehr starr angesehenen schwarzweißen Holzschnittes durch malerische Kolorierung „vom Rücken her“ ist eine für sich aufregende, wiederzuentdeckende alte Technik. Die Durchdringung des washi mit der Farbe-Äthanol-Lösung hängt sehr von der Intensität der Imprägnierung (Dosa) ab. Man weiß vorher nicht genau, wie ein bestimmtes washi reagiert, also muß man an einem kleinen Probestück ausprobieren, ob es leicht oder nur schwer gelingt, die Farbe auf der Vorderseite durchtreten zu lassen.
Sollte es leicht gelingen, so kann man zusätzlich durch intensiven oder zarten Pinselauftrag malerische Effekte vorderseitig erzielen – einen kurzen Kontrollblick auf die Vorderseite wird man aber unbedingt machen müssen!
Ist die Farbdurchdringung jedoch schlecht, so hat man immer noch Möglichkeiten: einmal kann man zur Farblösung noch mehr Äthanol geben, dann bietet sich auch die Möglichkeit über die eingefärbten Stellen mit dem äthanolgetränkten Pinsel solange zu streichen, bis es der Farbe gelingt nach vorne zu gleiten. Man kann dabei auch sehr malerisch verschiedene Areale sehr hervorheben oder aber die Zwischenräume nur leicht gefärbt lassen.
Hier einige Beispiele: zuerst rückseitige Aufbringung von Aquarellfarbe/Ethanol plus tropfenweise Ethanol 70% zur ausgedachten „Push-Permeation“ und damit der Farbwirkung auf der Blattvorderseite.
Die seitlichen Schwärzungen rühren vom diffundierenden Ethanol her und verschwinden nach Verdunstung.
Mit einem äthanolgetränkten Pinsel läßt sich der „Push-Effekt“ noch gezielter ausführen! Zuvor aber muß natürlich das Aquarell-Äthanol-Gemisch schon aufgebracht worden sein und dann – mit kontrollierendem Blick auf die Vorderseite des washi – läßt sich die Durchdringung der Papierfasern mit dem portionsweisen Äthanolauftrag bis zum gewünschten Farbeffekt vorantreiben.
Vorsicht ist aber geboten: nicht zu nah am Rande sollte man das Äthanol dann aufbringen, sonst „blutet“ die Farbe über die Diffusion auch über das gewünschte Feld hinaus! Dies gilt besonders dann, wenn man mit einer feinen Spritze Äthanol frei auftropfen läßt, um wolkige Farbdurchdringungen zu erzielen.
Die zielgerichtete Äthanolbenetzung auf bereits aufgetragene Farbe – sogar nur mit Farblösung ohne Äthanolanteil – läßt recht forciert Farbe nach vorn durchtreten, so daß regelrechte Pinselstricheffekte erzielt werden können:
Trägt man aber als Erstes Äthanol (70%) lokal auf, um dann mit Farbe-Äthanol-Lösung die Papiervorderseite zu kolorieren, erzielt man zwar eine „weichere“ Farbwirkung, aber das seitliche „Ausbluten“ ist ein Problem:
Ganz wertvoll jetzt: der Fön! Hiermit läßt sich ganz schnell das „Ausbluten“ stoppen bzw. verhindern, denn das aufgebrachte Äthanol verdunstet sogleich – die Farbwanderung stoppt.
Der Farbeffekt auf der Bildvorderseite ist weicher, ohne jedoch die Intensität der schwarzen Bildanteile zu tangieren:
Dies sind wunderbar weiche farbige Effekte, die man mit einer vorderen Kolorierung zwar teilweise auch erreichen kann, aber meist stört man doch durch Übermalung ganz schnell die schwarzfarbigen Bildteile. Mit der klassischen japanischen Mehrplatten-Technik „Moku hanga“, bei der ein flächiger Farbauftrag erzielt wird, lassen sich definitiv keine solch farbspielerischen Effekte erzielen, sind vielleicht auch nie gewollt.
Ich wünsche allen, die sich für diese faszinierende Technik interessieren, genug Neugier, um immer wieder neue Variationen auszuprobieren und bin umgekehrt auch für Anregungen oder Problemlösungen dankbar.