Step by step in traditioneller Methode
Nach dem Standardwerk „Baren“ von Hidehiko Goto, Barenmeister Japans (ISBN 978-4-89257-065-0)
Zusammensetzung eines Baren
Ein Baren besteht aus einer etwa untertassengroßen, kreisrunden festen Scheibe („Ategawa“) aus vielen Lagen verklebten alten japanischen Büttenpapiers und einer eng daraufliegenden, geflochtenen Bambusschnur („Baren Shin“). Zusammengehalten wird das Ganze von einem Bambusblatt („Take no Kawa“), das über der Ategawa fest verknotet wird.
Im heutigen Japan wird „Baren“ meist nur mit den eigenen japanischen Silbenzeichen geschrieben („Hiragana“), die im 8. Jahrhundert u.Z. durch Mönche per Vereinfachung und Umwandlung originärer chinesischer Schriftzeichen („Kanji“) eingeführt wurden. Die ursächlichen Kanji sind zwar nicht mehr direkt erkennbar/lesbar, aber als elegant geschwungene Silbenschrift verkörpern die Hiragana in unvergleichlichem Maße den japanischen Sinn für Ästhetik.
Der kompakte Baren also wird zum Drucken von Holzschnitten verwandt, wobei die Seite mit dem abdeckenden Bambusblatt zum Drucken eingesetzt wird. Unter dem Blatt befindet sich ja die geflochtene, recht harte Bambuskordel, die mit dem festen Widerlager der Ategawa eine Art hartes Druckkissen abgibt. Alle Teile sind aus natürlichen Materialien hergestellt, und begonnen wird mit der Baren Shin, der zu flechtenden Bambusblattschnur. Sie wird aus dem Mittelstück ausgesuchter Bambusblätter aufgebaut, vorzugsweise den feinrippigen Blättern der Bambussorte „Kashiro Take“. Dieser wächst auf der südlichen japanischen Insel Kyushu.
Grundlage – eine Schnur aus Bambusblatt
Die mittleren Blattareale werden ausgeschnitten und als etwa 4cm breite und 20cm lange Streifen getrocknet. Die so erhältliche Ware wird vom Anwender dann in Wasser eingeweicht und das weiche innere Blatt abgezogen – nur das pigmentierte, feste äußere Blatt wird weiterverwendet.
Mittels eines kleinen Nadelkammes werden 1–2 mm schmale Bambusblattstreifchen aufgetrennt, in sich verzwirbelt und miteinander zu 10, 20 bis 30 meterlangen Schnüren verflochten, die ihrerseits wiederum miteinander verflochten werden.
Nach dem Verflechtungsgrad spricht man bei der Basisschnur aus 2 Streifen von 2-ko und kann bei Weiterverknüpfung bis zu 16-ko Kordeln gelangen. Im Durchschnitt wird meist eine 8-ko Schnur aus 2mm breiten Streifen eingesetzt. Die Schnüre werden sehr hart und unterscheiden sich in den hervortretenden, knotigen Erhebungen. Mittels genau dieser Erhabenheiten entsteht ein ganzes Bett aus festen Auflagepunkten, die, gehalten vom umgebenden Bambusblatt, die eigentlichen Druckpunkte abgeben, mittels derer das angefeuchtete japanische Büttenpapier auf den eingefärbten Holzdruckstock per Hand gepresst und die Farbe so in (und nicht auf) das Papier eingerieben oder einmassiert wird.
Entsprechend den kurzen und sehr dünnen Bambusblattstreifchen ist das Knüpfen eine langwierige und geduldfordernde, aber auch meditative Tätigkeit. Das erklärt, auch in Verbindung mit noch anderen handwerklichen Prozessen, den Preis handgemachter, echte Baren (Hon Baren). Deren Druckverhalten ist dem industriell hergestellter Plastikscheiben mit kleinen Erhebungen sowie eingelagerten Metallkugeln jedoch überlegen und stellt gleichzeitig eine Würdigung des kulturellen Erbe Japans dar.
Hier nun einige Videoclips der Handwerkskunst des Barenmeisters HIDEHIKO GOTO, aufgenommen während eines Besuches in seiner Werkstatt im Jahre 2018 (mit Erlaubnis des Meisters zur Aufnahme in diese Website ) zu diesem ersten Fertigungsschritt:
Ein Widerlager aus Büttenpapier
Parallel dazu geht es nun auch an die Anfertigung der Druckscheibe „Ategawa“. Hierfür werden kreisrunde Ausschnitte aus altem japanischem Papier miteinander verleimt. Die Ategawa muss stabil genug sein, um sich auch nach jahrelangem Gebrauch nicht zu verziehen. Somit besteht der Leim aus einer Mischung des Stärkeextrakts der Wurzeln des Adlerfarnes („Warabi“), der schon in kleinsten Mengen starke Klebekraft hat, und dem tanninhaltigen Saft unreifer Kakifrüchte (Persimonen). Letzterer hat wasserimprägnierende Eigenschaften und wurde schon vor über 1000 Jahren in Japan zur Herstellung von Regenschirmen benutzt.
Mit dieser Mischung vereint man also die klebende mit der imprägnierenden Eigenschaft und kann die geforderten 48 Papierlagen übereinander verleimen. Als Auflage dient eine hölzerne Form („Kigata“), über die die Papierlagen geklebt werden. Aber nur eine täglich, so dass sieben Wochen bis zur Fertigstellung vergehen. Nach einer weiteren Woche gründlicher Austrocknung erhält man dann eine noch aufgeblockte, feste Papierlaminatplatte (ein Kompositwerkstoff alter Zeit).
Die Ategawa-Matrix ist aber mit ihrer Papierlagenschichtung noch nicht komplett . Sie bedarf noch einer Abdeckung, die sie noch härter und zur Außenseite hin komplett wasserfest macht. Dazu wird eine Schicht japanischer dichtgewebter Seide mit der angemischten, imprägnierenden braunen Klebemischung aus Persimonenextrakt und Farnwurzelstärke obenauf fixiert, dann in sieben Schichten mit Urushi-Lack überzogen (wieder in Tagesabständen) und in feuchtem Milieu jeweils ausgehärtet. Die so fast fertige Ategawa wird schließlich für ein halbes Jahr – noch am Montageblock haftend – aufgehängt, wettergeschützt in frischer Luft.
So wird ein Durchtrocknen bis in die unterste Schicht gewährleistet, ohne die das komplexe Papierlaminat nach Entfernung vom Montageholz sich wölben und deformieren würde. Für den späteren Baren wäre dies fatal – die Druckfläche wäre uneben.
Der Lack selbst ist ein Naturprodukt, das aus dem Harz des ostasiatischen Lackbaums gewonnen. Anfangs noch ockerbraun erreicht er nach Aushärtung einen natürlichen schwarzen Glanz von außergewöhnlicher Tiefe und Schönheit, ist aber in ursprünglicher flüssiger, unausgehärteter Form hochallergen – ähnlich dem amerikanischen Giftefeu („poison ivy“). Der Lack muss mittels kleiner Tampons und unbedingt mit Schutzhandschuhen (am besten doppelt) auf die letzte Schicht aus reiner Seide aufgebracht werden. Anderenfalls zieht man sich über Wochen hinziehende, entzündliche Hautveränderungen zu, die nur mittels cortisonhaltiger Cremes geheilt werden können.
Einmal ausgehärtet (polymerisiert), ist dieser Lack wasserfest und dauerelastisch und eignet sich sogar für Lebensmittel, so dass nun problemlos mit ihm umgegangen werden kann. Jetzt kann die fast fertige Ategawa vom Montageblock abgehoben werden und muss nur noch in der Randhöhe angepasst und geglättet werden. Die in Form einer flachen Schale fertige Ategawa dient später dann der Aufnahme der gefertigten Bambusschnur, die jedoch noch einer weiteren Bearbeitung bedarf, bevor sie zur Baren Shin – dem Herz des Baren – wird.
Die Schnur wird eingepasst
Die klugerweise parallel zur Ategawa gefertigte Bambusblattkordel muss nun noch mittels eines schweren Metallstückes ein wenig geglättet und schneckenförmig aufgerollt in die fertige Ategawa eingepasst werden. Dazu fertigt man sich eine Montagehilfe aus Plexiglas, um das stramme Aufrollen der Kordel zu ermöglichen. Diese muss nun durch Fäden in der aufgerollten Form fixiert werden. Auch andere Materialien können dafür verwendet werden, z.B. Seegras oder geflochtene harte Lederbänder. Allerdings weicht man dann von der japanischen Klassik ab, bei der nur Bambusblattkordeln für das Herz eines Baren, die sog. „Baren Shin“, verwendet werden.
Nun erst kann die Einpassung in die Ategawa erfolgen, wozu zirkulär zum seitlichen Übergang randnah eine Kordel aus Kunststoff, hartem Papier oder Seegras gelegt und dann die aufgerollte, fixierte Bambusschnur „Baren Shin“ mittig platziert wird.
Ein Bambusblatt gibt festen Halt
Um nun den ganzen Materialien Halt zu geben und zu einem fähigen Druckinstrument zu gelangen, erfolgt das Einschlagen in ein sorgfältig biegsam gemachtes großes Bambusblatt und damit zu einem echten Baren japanischer Provenienz. Die Griffseite ist die mit dem geflochtenen Bambusblatt. Dabei fasst der Mittelfinger unter den Knoten, während die anderen Finger flächig auf der Ategawa ruhen. Die Druckseite ist die Seite mit der Bambusblattfläche, unter der sich die aufgerollte Bambuskordel mit der Ategawa als Widerlager befindet.
Und um einen Eindruck von einer meisterlichen Handwerkskunst (im Gegensatz zu den Abbildungen meiner amateurhaften Eigenarbeit) zu vermitteln, folgen hier nun Videoclips des Barenmeisters HIDEHIKO GOTO, aufgenommen während eines Besuches in seiner Werkstatt im Jahre 2018 (mit seiner Erlaubnis zur Aufnahme in diese Website).